Güterrecht in der Schweiz

Wer in der Schweiz heiratet, untersteht ab Heirat einem Güterstand. Das Güterrecht ist das Vermögensrecht der Ehegatten. Viele Ehepaare machen sich darüber bei der Heirat keine Gedanken oder können mit dem Begriff «Güterstand» nichts anfangen. Irgendwann taucht die Frage aber mal auf und bekommt Relevanz, bei der Scheidung, bei einem Todesfall, bei der Vorsorgeplanung. Wir klären mit einem zweiteiligen Beitrag auf. Der heutige Teil 1 widmet sich den Fragen: was ist überhaupt mit dem Begriff «Güterstand» gemeint, welche Güterstände gibt es und wie sind diese ausgestaltet?

Die drei Güterstände


Das Güterrecht ist in den Artikeln 181 bis 251 im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Diese Artikel halten u.a. fest, wem das eheliche Vermögen gehört, wie es genutzt wird, wer gegenüber Dritten für die Schulden haftet und wie das Vermögen bei der Auflösung der Ehe verteilt wird.

Je nach Wahl des Güterstandes gibt es dafür andere Regelungen, weshalb der jeweilige Güterstand entscheidend ist für die anwendbaren gesetzlichen Regeln.


In der Schweiz gelten folgende drei Güterstände: die Errungenschaftsbeteiligung, die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung. Die Errungenschaftsbeteiligung gilt als ordentlicher Güterstand. Alle Ehepaare sind diesem Güterstand gesetzlich automatisch, dh ohne jegliches Zutun unterstellt. Die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung sind ausserordentliche Güterstände. Hier muss das Ehepaar aktiv werden und sich diesem Güterstand in einem öffentlich beurkundeten Ehevertrag unterstellen. Bei jedem Güterstand werden die Vermögenswerte der Ehegatten den verschiedenen Gütermassen zugeordnet. Je nach Güterstand gibt es unterschiedliche Gütermassen. Die Zuordnung zu den verschiedenen Gütermassen ist vor allem im Fall der Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung entscheidend.

Der Wechsel von einem Güterstand zum anderen ist jederzeit möglich. Der Wechsel muss in einem öffentlich beurkundeten Ehevertrag festgehalten sein. Ausnahmen sind die richterliche Anordnung der Gütertrennung auf Begehren eines Ehegatten und die im Gesetz geregelten Spezialfälle von Art. 188 und 189 ZGB.

I. Die Errungenschaftsbeteiligung:

Die Wahl des Güterstandes:

Die Errungenschaftsbeteiligung gilt nach dem Gesetz als «ordentlicher Güterstand». Das bedeutet, dass Ehepaare ohne güterrechtliche Regelung in einem Ehevertrag von Gesetzes wegen automatisch dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstehen. Die meisten Ehepaare in der Schweiz unterstehen diesem ordentlichen Güterstand.

Eingetragene Partnerschaften können sich durch Regelung in einem Vermögensvertrag dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstellen.


Die Gütermassen der Errungenschaftsbeteiligung:

Bei der Errungenschaftsbeteiligung werden vier Gütermassen unterschieden: Das Eigengut des jeweiligen Ehegatten und die Errungenschaft des jeweiligen Ehegatten. Jeder Ehegatte hat also zwei Massen: Errungenschaft und Eigengut.

  1. Errungenschaft der beiden Ehegatten:

    Mit Errungenschaft wird ein Mehrwert bezeichnet, der während der Ehe angefallen ist.

    Die Errungenschaft eines Ehegattens umfasst gemäss Art. 197 ZGB:
    - den jeweilige Arbeitserwerb,
    - Leistungen von Personal- und Sozialfürsorgeeinrichtungen sowie Leistungen von Sozialversicherungen,
    - die Entschädigung wegen Arbeitsunfähigkeit,
    - die Erträge seines Eigengutes (bspw. Zinsen oder Dividenden), sowie
    - Ersatzanschaffungen für Errungenschaft.

    Hat ein Ehegatte also z.Bsp. aus seinem Lohn Ersparnisse gemacht, Einzahlungen in seine 3. Säule oder in seine Lebensversicherung getätigt, so bilden diese Vermögenswerte einen Bestandteil seiner Errungenschaft.
  2. Das Eigengut der beiden Ehegatten:

    Im Gegensatz zur Errungenschaft ist das Eigengut nicht durch Zutun der ehelichen Gemeinschaft entstanden. Das Eigengut wird deshalb dem jeweiligen Ehegatten als eigener Vermögenswert zugeteilt.

    - Zum Eigengut eines Ehegatten gehören gemäss Art. 198 ZGB:
    - persönliche Gegenstände,
    - erhaltene Erbschaften und Erbvorbezüge,
    - Schenkungen,
    - Genugtuungsansprüche,
    - andere Vermögenswerte, die vor der Ehe vorhanden waren oder auch in die Ehe eingebracht wurden, sowie
    - Ersatzanschaffung für Eigengut und der Verkaufserlös vom Verkauf eines Vermögenswertes aus dem Eigengut.

    Durch die Zuordnung der Vermögenswerte in die vier verschiedenen Gütermassen gibt es bei der Errungenschaftsbeteiligung kein «echtes gemeinsames Vermögen», da alle Vermögenswerte grundsätzlich dem jeweiligen Ehegatten zugeordnet und von diesem selbständig verwaltet werden.
  3. Modifikation der Errungenschaftsbeteiligung

    Der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung kann gemäss Art. 199 ZGB unter gewissen Schranken auch durch entsprechende Regelungen in einem Ehevertrag im Einzelfall modifiziert werden. Z. Bsp. können Unternehmen als Eigengut deklariert oder Erträge aus dem Eigengut (z.Bsp. Wertschriftenerträge) zu Eigengut erklärt werden.

Vorteile und Nachteile

Vorteile: Bei Auflösung der Ehe bzw. des Güterstandes teilen sich beide Ehegatten ihre Errungenschaft jeweils zur Hälfte. Der wirtschaftlich schwächere Ehegatte profitiert auch von den Errungenschaften des anderen.

Nachteile: Bei Scheidung oder Tod wird nur die jeweilige Errungenschaft aufgeteilt, nicht jedoch das Eigengut. Hat einer der Ehegatten einen positiven Saldo (sog. Vorschlag) in seiner Errungenschaft und der andere nur Passiven (sog. Rückschlag), so profitiert der überschuldete Ehegatte zur Hälfte von der Errungenschaft des anderen Ehegatte. Der Rückschlag wird nicht geteilt, dh. die Schulden bleiben allein beim überschuldeten Ehegatten. Bei einer Solidarhaftung haftet jedoch auch der nicht überschuldete Ehegatte dem Gläubiger für die Schuld des überschuldeten Ehegatten.

II. Die Gütergemeinschaft:

Wahl des Güterstands:

Der Güterstand der Gütergemeinschaft kann nur mit einem öffentlich beurkundeten Ehevertrag begründet werden. Die Gütergemeinschaft gilt daher als ausserordentlicher Güterstand. Dieser Güterstand steht nur Ehepaaren offen, nicht jedoch eingetragenen Partnerschaften.

Die Gütermassen bei der Gütergemeinschaft:

Bei der Gütergemeinschaft gibt es gemäss Art. 221 ZGB drei Gütermassen: das Gesamtgut und das Eigengut von jedem Ehegatten.

Zum Gesamtgut gehören im Normalfall:

  • alle Einkünfte beider Ehegatten, sowie
  • das gesamte Vermögen beider Ehegatten.

Das Eigengut der jeweiligen Ehegatten umfasst:

  • die Gegenstände des allgemeinen Gebrauchs,
  • Genugtuungsansprüche
  • Durch Ehevertrag als Eigengut ausgeschiedene Vermögenswerte

Vorteile und Nachteile

Vorteile: Jeder Ehegatte profitiert zur Hälfte vom Gesamtgut, d.h. auch vom Eigengut des anderen Ehegatten.

Nachteile: Beide Ehegatten haften solidarisch für sämtliche Schulden mit Ausnahme der Eigengutsschulden mit dem Gesamtgut und ihrem jeweiligen Eigengut.


III. Die Gütertrennung:

Wahl des Güterstands:

Ehepaare können sich durch den Abschluss eines öffentlich beurkundeten Ehevertrags dem ausserordentlichen Güterstand der Gütertrennung unterstellen.

Ohne anderweitige Regelungen in einem Vermögensvertrag unterstehen eingetragene Partnerschaften automatisch der Gütertrennung als für sie ordentlichen Güterstand.

Die Gütertrennung kann auch von einem Richter angeordnet oder aufgrund von im Gesetz dafür vorgesehenen Gründen eintreten.

Die Gütermassen bei der Gütertrennung:

Die Gütertrennung gilt eigentlich als «Nicht-Güterstand». Das bedeutet, dass die Vermögensmassen der beiden Ehegatte bei der Gütertrennung unabhängig voneinander sind. Es gibt weder gemeinsames Eigentum noch gemeinsame Schulden. Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung behält jeder sein Eigentum, aber auch seine Schulden.

Vorteile und Nachteile

Vorteile: Das Vermögen jedes Ehegatten bleibt vollständig getrennt, jeder haftet nur für die eigenen Schulden.

Nachteile: Es gibt keine Beteiligung am Vermögenszuwachs. Auch wenn ein Ehegatte seine Erwerbstätigkeit für die Kinderbetreuung reduziert, profitiert er nicht am Vermögenszuwachs des anderen. Bei Auflösung der Ehe durch Tod erhält der überlebende Ehegatte aus güterrechtlicher Sicht nichts, sondern nur aus Erbrecht.

IV. Fazit

Die Wahl des Güterstandes ist insbesondere bei der Auflösung des Güterstands entscheidend. Dieses Thema wird im 2. Teil unseres Beitrags behandelt.

Wir empfehlen, bei Unsicherheiten und vor allem bei beträchtlichen Vermögen, Unternehmen oder aussergewöhnlichen Verhältnissen die Konsultation eines/einer in Familienrechtsangelegenheiten erfahrenen Rechtsanwalts/-anwältin. Wir helfen Ihnen gerne, den für Ihre Lebenssituation passenden Güterstand zu wählen.